Dienstag, 11. Oktober 2022

50 Radlerinnen und Radler begleiteten das Ghostbike zum Herdweg am 11.10.2022.

Auf dem Kronenplatz auf einem Anhänger stand das neue Ghostbike für die 82-jährige Radlerin, die Ende September auf dem Herdweg zwischen Durlach und Hagsfeld in der Engstelle auf der Brücke über die Autobahn A5 von einem Rollerfahrer touchiert wurde und dabei so unglücklich stürzte, dass sie später im Krankenhaus an den Unfallfolgen verstarb.
Die Ghostbikes sind jedesmal auch ein Mahnmal für mehr gegenseitige Rücksichtsname im Verkehr. 
Jedes neue Ghostbike ist eines zuviel. 
Langsam füllte sich der Kronenplatz. Mit dabei waren auch Frauen aus ihrem Bekanntenkreis, die mit uns zusammen zum Herdweg radelten.

An der Unfallstelle auf der Brücke brannte eine Kerze, Blumen steckten dabei und auch eine Erinnerung an sie.

Das Ghostbike konnten wir diesmal nicht direkt am Ort des Unfalls aufstellen, der Rad- und Fußweg ist einfach zu schmal, es würde in den Radweg hineinragen und so zu einer zusätzlichen Gefahrenstelle.
Am Fuß zur Brücke an der Einmündung in einen Waldweg (gegenüber von Aluplast) fand es an dem Verkehrzeichen seine aktuelle Bleibe.

Dort warteten auch Verwandte von ihr auf die Aufstellung des Ghostbikes.

(Cornelius)

Das Redemanuskript von Michael Reichert könnt ihr im Anschluss an die Bilder lesen, also bis dorthin weiterscrollen:

(Zum Vergrößern auf die Bilder klicken)




Ankunft und Aufstellen des Ghostbikes am Herdweg, im Anschluss an die Bilder könnt ihr die Ansprache von Michael Reichert lesen.





das Ghostbike für Karin am 16.10.2022 



Und hier auch wieder Bilder von Michael Krause vom Weg zur Aufstellung:










13.10.2022
Foto: Jörg Donecker 



Hier die Ansprache von Michael Reichert, beim Aufstellen des Ghostbikes:

Zum zweiten Mal in diesem Jahr hat es in Karlsruhe einen tödlichen Fahrradunfall gegeben. Und es ist wieder einer zu viel.

Mein Name ist Michael Reichert. Ich bin beim Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club und dem Fuß- und Radentscheid Karlsruhe aktiv. Im Namen von ADFC und Critical Mass überbringe ich unsere Anteilnahme und das aufrichtige Beleid.

Karin Weber, 82 Jahre alt und absolut fit, hatte vor zwölf Jahren ihren Lebensmittelpunkt zu ihrer jüngeren Tochter nach Karlsruhe verlegt. Vor einigen Jahren verkaufte sie ihr Auto. Ständig war sie, bei fast jedem Wetter, mit dem Rad unterwegs – also das, was man eine Alltagsradlerin nennt.

Am Freitag, den 23. September fuhr sie auf dem Geh- und Radweg des Herdwegs von Durlach zu ihrer Wohnung in Hagsfeld. Auf der Brücke über die A 5 wurde sie vom 55-jährigen Fahrer eines auf 25 km/h gedrosselten Motorrollers überholt und dabei vermutlich leicht gestreift. In Folge stürzte sie und wurde schwer verletzt. Am Folgetag starb sie im Krankenhaus.

Aufgrund der Drosselung handelte es sich bei dem Motorroller um ein Mofa im Sinne des Gesetzes, das heißt, es darf außerorts auf Radwegen genutzt werden.

Die Suche nach der Unfallursache sollte damit enden, dass man Mofas von Radwegen verbannt. Sie sollte auch nicht beim Überholvorgang und Fahrfehlern einzelner enden. Solche Unfälle können auch unter Radfahrenden passieren.

Der Geh- und Radweg entlang des Herdwegs ist zwischen Auf der Breit und Am Storrenacker nur auf einer Fahrbahnseite vorhanden. Für Radfahrende ist in beide Richtungen eine Benutzungspflicht angeordnet.

Der Weg ist aber nur 1,9 m breit. Wenn man die Ränder der Asphaltdecke freikratzt, sind es 2,0 m. Auf der Brücke ist es geringfügig mehr. Auf der einen Seite ist eine Leitplanke, auf der anderen eine steile Böschung. Häufig hängen auch noch Zweige auf Kopfhöhe und schränken die Breite weiter ein.

2,0 m sind nach der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung die absolute Mindestbreite für einen Zweirichtungs-Radweg außerhalb geschlossener Ortschaften. Im Regelfall soll dieser 2,4 m breit sein.

Ein Fahrrad wird in den Regelwerken mit einer Breite von 0,8 m angesetzt, das heißt, beim Begegnungsfall bleiben also 40 cm für den Sicherheitsabstand zum Gegenverkehr, für Vegetation, die in den Radweg hängt, und fahrphysikalisch bedingte Schwankungen übrig. Jede Begegnung ist ein Wagnis, jeder Überholvorgang auf diesem Geh- und Radweg – erst recht in der Steigung – ein Lotteriespiel.

Aber auch die übrigen Eigenschaften dieses Radwegs sind fahrradfeindlich: Bei Dunkelheit besteht an der Kuppe Blendgefahr. Richtung Hagsfeld muss man hier auf der linken Straßenseite und damit im Lichtkegel der nach rechts ausgerichteten Abblendlichter fahren.

Der Radweg entlang des Herdwegs ist die direkte Radverkehrsverbindung zwischen Hagsfeld und Grötzingen bzw. Hagsfeld und Durlach. Er ist Teil des Hauptradroutennetzes. 17 Jahre nach der Festlegung dieses Netzes sind mir noch keine Ausbaupläne für dieses problematische Teilstück bekannt.

Es stimmt, eine Verbreiterung des Weges ist nicht einfach. Die 2,0 m genügen auf dem Papier laut Verwaltungsvorschrift. Der Damm müsste verbreitert, vermutlich auch von den angrenzenden Industriebetrieben Flächen erworben werden. Alles gute Ausreden, um einen Ausbau vor sich her zu schieben.

Diese Bequemlichkeit hat jetzt ein Menschenleben gekostet.

Im Bereich des Straßendamms und der Brücke über die Autobahn kann man ohne teure Erdarbeiten den Radweg verbreitern. Man muss nur den Mut haben, die Zweispurigkeit dieser Kreisstraße in Frage zu stellen! Warum sperren wir nicht einfach den Fahrstreifen Richtung Hagsfeld und legen dort einen durch eine Betonleitwand geschützten provisorischen Radweg Richtung Hagsfeld an? Dann hätte jede Fahrtrichtung ihren eigenen Radweg.

Das Blendungsproblem wäre gelöst, die Radwege wären als Einrichtungsradwege beide breit genug. Radfahrende Richtung Hagsfeld würden sich dann die zweimalige Fahrbahnquerung mit entsprechenden Wartezeiten sparen. Der Kfz-Verkehr müsste zwar durch eine Baustellenampel geregelt werden, aber das ist kein Hexenwerk.

Im Ortenaukreis gibt es schon jetzt zwei Landstraßen-Brücken, auf denen ein Fahrstreifen so zum Radweg umfunktioniert wurde.

Anfangs mag es Staus geben, aber irgendwann wird sich ein Gleichgewicht aus Angebot und Nachfrage einpendeln. Seit der Inbetriebnahme der neuen B 10 als Teilstück der Nordtangente existiert in der Nähe eine gut ausgebaute Alternative. Manche Kraftfahrzeugnutzer werden auf Alternativrouten, andere auf das Fahrrad ausweichen. Wenn das Autofahren nicht mehr schnell ist, ist das Radfahren nicht mehr langsam.

Als ADFC fordern wir daher:

1. einen sofortigen ordentlichen Vegetationsrückschnitt mit Wachstumsreserve und ein Freihalten der absoluten Mindestbreite des Radwegs von 2,0 m

2. Bis zum Ausbau des Radwegs soll ein Blendschutz auf der Leitplanke installiert werden.

3. Die Stadtverwaltung soll die Verbreiterung der Dammkrone prüfen.

4. In einem mindestens drei Monate langen Verkehrsversuch soll ein getrennter Popup-Radweg auf diesem Teilstück erprobt werden. Eine Ampel soll den Kfz-Verkehr währenddessen regeln. Der Verkehrsversuch soll durch Verkehrszählungen in der Umgebung begleitet werden.

 

Ich möchte euch nun bitten, für Karin dreimal zu klingeln und dann eine Schweigeminute für sie abzuhalten.

 

Schweigeminute

 

Ursprünglich hätte diese Zwischenkundgebung direkt am Unfallort stattfinden sollen. Eine Kundgebung im unmittelbaren Sichtbereich der Verkehrsteilnehmenden auf der Autobahn und ein Anbringen des Ghostbikes am Brückengeländer hat uns das Ordnungsamt verboten. Wir stellen es daher erst einmal hier an den Schilderpfosten, bis wir uns mit dem Ordnungsamt auf einen dauerhaften Standort geeinigt haben.


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