BNN am 31.08.2020
Karlsruhe tritt kräftiger in die Pedale
Das Radler-Bündnis erhöht mit dem Pop-up-Radweg die Drehzahl in der Verkehrswende
Rupert Hustede am 31.08.2020
Foto: Peter Sandbiller
Den Autofahrern wird eine von zwei Spuren genommen, und den Radfahrern wird sie gegeben. Am Samstag hat das Bündnis Karlsruher Aktiver für mehr Fahrradverkehr bei seiner fünften und letzten Sommerferienaktion die Verhältnisse in der Hans-Thoma-Straße für vier Stunden verändert.
Die Fahrbahn ist frisch gespurt: Jetzt können die Radler stadteinwärts zwischen Stephanien- und Waldstraße sicheren Tritts und ohne beengendes Blech in gefährlicher Nähe neben sich in die Innenstadt gelangen. Die Autofahrer haben mit einem Streifen auszukommen, was sie im Einkaufsverkehr am Samstag Richtung Geschäfte in dichter Reihe vor der Ampel bei der Kunsthalle auffahren lässt. Die große Schlange aber bildet sich nicht.
„Es geht“, meint Joachim Weiß vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club. Die Rad-Aktivisten fühlen sich bestätigt. Was an einem Sommersamstag funktioniere, könne sich auch im Berufsalltag bewähren: Mehr eigene Spuren für Radfahrer und damit mehr Sicherheit, selbst Kinder könnten dann ungefährdet in der Großstadt radeln. Folglich würden auch noch mehr Autofahrer bei der Fahrt in der Stadt aufs Rad umsteigen, was wiederum die Stadtluft verbessert, meint Weiß.
Auf jeden Fall sorgt so ein schnell mal mit Hütchen auf die Straße gezauberter Pop-up-Radweg für Diskussionsstoff, was dem Pro-Rad-Bündnis nur recht ist. Immerhin ist die seit rund 20 Jahren immer kräftiger strampelnde Fahrradstadt Karlsruhe derzeit besonders stark in Bewegung: Die Klimakrise und die Stadtplanung für eine attraktive City mit hoher Aufenthaltsqualität treiben die Verkehrspolitiker inzwischen fast aller Fraktionen zu einer immer höheren Drehzahl in der Verkehrswende an. Der Umbau Karlsruhes von der einst autogerechten zur immer mehr fahrradgerechten Innenstadt läuft voll auf Hochtouren.
Oberbürgermeister Frank Mentrup ist dabei längst der wichtigste Dynamo. Die Entwicklung der Innenstadt mit der Neuverteilung der Verkehrsflächen als Hauptkraft hat der OB zur Chefsache gemacht. Deshalb lobt er das Fahrradbündnis: Es biete mit den Pop-up-Radstreifen Praxistests an Samstagen, die wertvolle Anstöße für die Politik sowie Erlebnisse für die Radfahrer selbst lieferten.
Mentrup sieht Handlungsbedarf, um die Situation der Radfahrer an den Kreuzungen zu verbessern. Überhaupt müsse die Qualität des Radwegnetzes ausgebaut werden. Er macht deutlich, dass manche Straße, die bislang wie die Hans-Thoma-Straße vom Autoverkehr dominiert wird, auch aus städtebaulicher Überzeugung umzugestalten sei. Dabei bringt er auch eine Neuordnung mit deutlich vergrößerter Freifläche für die Besucher vor der Kunsthalle ins Spiel.
Dabei will Mentrup den Autos nicht den Weg in die City versperren. Die Innenstadt müsse für alle gut erreichbar sein – auch für den, der auf das Auto angewiesen sei, oder für den, der nur meine, auf den eigenen Wagen bei der Fahrt in die Stadt nicht verzichten zu können. Am Willen zu einer Änderung der Raumaufteilung lässt er aber keinen Zweifel.
Karsten Kilian von Greenpeace erkennt zwar positive Entwicklungen in der Karlsruher Radpolitik, prangert aber weiter gravierende Missstände an. „Es gibt immer noch viele Gefahrenpunkte und Ampelschaltungen, an denen der Radverkehr keinen Vorrang genießt oder sogar krass benachteiligt wird“, kritisiert er. Überhaupt sei die ungleiche Flächenverteilung zwischen Auto und Rad nicht mehr hinnehmbar, meint Karsten Kilian.
Tilman Pfannkuch, Vorsitzender der CDU-Gemeinderatsfraktion, hält nichts vom „ideologischen Kampf gegen das Auto“ und fordert differenzierte Lösungen, die sich am Bedarf der Bürger orientierten. Deshalb hält er nichts von der Radspur auf Kosten der Autofahrer in der Hans-Thoma-Straße stadteinwärts. Er fordert Rezepte, die die Situation der Radler dort verbessern, wo sie wie in der Hans-Thoma-Straße im Alltag nicht mal einen schmalen Weg für sich haben, sondern im starken Autoverkehr mitschwimmen müssen „Die Zweispurigkeit auf der Hans-Thoma-Straße stadteinwärts für die Autofahrer hat sich bewährt. Eine Verengung bringt das Chaos, das führt den Berufsverkehr am Morgen in den Stau“, meint Pfannkuch.
BNN am 27.08.2020
Fünfter Pop-up-Streifen Hans-Thoma-Straße am 29.08.2020
ke. In der Hans-Thoma-Straße zwischen Stephanien- und Waldstraße markiert das Bündnis Karlsruher Aktiver für mehr Fahrradverkehr am Samstag, 29. August 2020, zum fünften und letzten Mal einen Pop-up-Fahrradstreifen in der Innenstadt. Sie nehmen Autofahrern dabei vorübergehend eine Spur weg und stellen sie Radfahrern zur Verfügung.
Spur ist von
11 bis 15 Uhr markiert
Die separate Fahrspur explizit für Radfahrer ist von 11 bis 15 Uhr markiert. Weil die Strecke im befriedeten Bezirk für Verfassungsorgane des Bundes liegt, holten die Organisatoren zusätzlich zur Genehmigung durch die Stadt dieses Mal auch die Erlaubnis des Bundesinnenministeriums und des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts ein.
Mit dieser Aktion deuten die Karlsruher Gruppen des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC), von Critical Mass, Fossil Free, Fridays for Future, Greenpeace und des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) ein weiteres Mal an, was eine Umgestaltung des Straßenraums für Autofahrer, Radfahrer und Passanten verändern würde.
In der Hans-Thoma-Straße sind besonders viele Studierende, radelnde Schüler und Jugendliche unterwegs. Radfahrer kritisieren die Gestaltung der Straße stadteinwärts seit langem. Auch die Radverkehrsplaner im Rathaus halten sie für unbefriedigend. Für Autos gibt es durchgehend zwei parallele Fahrspuren, Radfahrer mischen sich ungeschützt in den Verkehr. Bei der Einmündung der Bismarckstraße soll voraussichtlich ab dem Jahr 2022 aufwändig umgestaltet werden.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen