Samstag, 7. März 2020

Veranstaltung Bürgerbeteiligung am 5.3.2020 in den BNN vom 7.3.2020

Veranstaltung Bürgerbeteiligung am 5.3.2020 in den BNN vom 7.3.2020



Badische Neueste Nachrichten | Karlsruhe | KARLSRUHE | 07.03.2020 
„Gläserne Decke“ bremst angestrebte Verkehrswende
Erstmals werden Radfahrer und Fußgänger gleichzeitig gehört / Karlsruhe beteiligt Bürger nicht nur im Stadtbauforum
Von unserem Redaktionsmitglied Kirsten Etzold
So viele tropfnasse Regenhosen hat die Garderobiere im Haus der Industrie- und Handelskammer (IHK) Karlsruhe am Friedrichsplatz noch nie entgegengenommen. „Schön, hier bin ich mal nicht die Einzige“, sagt eine Radlerin, die als Besucherin des Stadtbauforums „Neue Wege für Fuß und Rad“ aus der Schutzkleidung steigt. Es sind die Eisernen der stetig wachsenden städtischen Radfahrer-Schar, die dem strömenden Regen am Donnerstagabend trotzen. „Karlsruhes Radler sind schon Avantgarde, Sie hier sind die engagierte Spitze in diesem Themenfeld“, betont Baubürgermeister Daniel Fluhrer.
Rund 80 Vielradler – mehr Männer als Frauen, Eltern mit Säugling ebenso wie etliche Silberhaarige – und ein paar Fußgänger mit Handicap sammeln, was aus ihrer Sicht passieren muss, damit mehr Menschen ihre Wege zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurücklegen. So arbeiten die Bürger mit an einem Konzept, von dem sich die Stadt nicht weniger als eine Verkehrswende verspricht. 15 Jahre nach dem Start des 20-Punkte-Plans, mit dem Karlsruhe zur fahrradfreundlichsten Großstadt Deutschlands wurde, stoßen die Einwohner, Kommunalpolitiker und Stadtplaner inzwischen von unten an eine „gläserne Decke“. Ohne Umsteuern ginge es nicht weiter, erklärt Fluhrer. „Ich bin absolut dafür, dass wir dem Auto Fläche wegnehmen, um mehr Aufenthaltsqualität in der Stadt zu gewinnen“, erklärt er. Gerade in der Innenstadt sei der öffentliche Raum zu kostbar, um ihn schlicht zum Abstellen oder Durchfahren zu nutzen.
Autoverkehr ganz aussperren? So absolut handeln will der Baubürgermeister nicht. Freie Zufahrt für eine Pflegekraft nennt er als Beispiel, „da muss man vorsichtig agieren“. Aber Umwege und Verbote seien Autofahrern eher zumutbar als denen, die sich ungeschützt und unmotorisiert bewegen: „Wer mit Klimaanlage und Konzertklang unterwegs ist, für den muss es auch in Ordnung sein, wenn es einmal ums Karree geht.“
Bisher verlangt die Aufteilung der Stadt oft Radfahrern und Fußgängern Umwege und Wartezeiten ab. Mehrere Ampelphasen an nur einer Kreuzung, rechtwinklige Wege statt natürlicher Kurven oder direkter Linien, schlecht zu überquerende Straßen: Es hagelt Verbesserungsvorschläge in zehn Diskussionsgruppen. Bald quellen die Stellwände über. Auf den Zetteln festgehalten sind auch eine Klage über zugewachsene Gehwege, der Vorschlag, Fahrradkurse anzubieten, und der Zorn über „Bettelampeln“, die nur auf Knopfdruck Grün bringen. Sie zwingen Passanten und Radler stets zum Stopp – Hauptsache, der Autoverkehr rollt.
Viel zu kurz für Fahrräder mit Kinderanhänger sind die meisten Mittelinseln auf viel befahrenen Straßen. Das fällt Katharina Stehr und Detlef Maurel aus Hagsfeld besonders auf, seit ihr drei Monate altes Söhnchen Felix da ist. „So eine Querungshilfe hilft nicht“, sagt der junge Vater. Autos, die in der Zähringer Straße zwischen Adlerstraße und Marktplatz herumfahren, als sei dort keine Fußgängerzone, fallen Konrad Scheffel negativ auf. „Die Polizei schaut zu“, moniert er. Viel per Fahrrad in der Stadt unterwegs ist auch ein Pensionär aus der Nordstadt. Wie der weit überwiegenden Mehrzahl beim Forum treibt ihn kein brennendes eigenes Anliegen um. Er interessiert sich aber für die Zukunft der Mobilität und verfolgt die Debatte um den öffentlichen Raum gespannt.
Mit dem Forum ist die Bürgerbeteiligung nicht zu Ende. Bis einschließlich Sonntag, 15. März, nimmt die Stadt Anregungen zu Rad- und Fußweggestaltung der Zukunft per Internet entgegen. Alle Anregungen fließen ein in die nächste Expertenrunde am 1. April.
Internet


AM DURLACHER TOR ist die Fläche neu geordnet. Für Fußgänger und Radfahrer bleibt es dennoch eng, zumal an der Durlacher Allee weiter Bahnen im Minutentakt halten, bis die U-Strab da ist. Sie macht zusätzlichen Raum frei – aber wie wird der verteilt? Foto: jodo

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