Mittwoch, 5. Mai 2021

Bürger mischen bei der Verkehrsplanung mit (BNN vom 06.05.2021)

Bürger mischen bei der Verkehrsplanung mit  (BNN vom 06.05.2021)


Bürger mischen bei der Verkehrsplanung mit

Arbeitsgruppe Radpolitik im ADFC Karlsruhe ist aktiv wie nie und wird auch zu Radschnellwegen gehört

Von unserem Redaktionsmitglied 

 

Kirsten Etzold

Mittendrin: Joachim Weiß (links) und Johannes Lensch geht es um mehr Raum und gute neue Wege für Radfahrer wie an der Einmündung der Stephanienstraße in den Kaiserplatz. Foto: Jörg Donecker


Wollen Johannes Lensch, 34 Jahre alt, und Joachim Weiß, 51, zeigen, wie ein richtig guter Radweg aussieht, steuern die beiden Karlsruher die Nordseite des Kaiserplatzes an. Dort gibt es für Radfahrer, die aus der Stephanienstraße kommen, eine separate Spur. Eine kleine, spitz zulaufende Verkehrsinsel bei der Baischstraße grenzt Autos, Fußgänger und Radfahrer sauber voneinander ab und macht die Weiterfahrt zum Mühlburger Tor einfach und übersichtlich. Diese Art der Straßengestaltung ist aber noch ein Unikum, in der westlichen City und der Stadt allgemein. 

Oft entspricht das Ergebnis am Ende nicht dem tatsächlichen Bedarf.

Johannes Lensch

 

Arbeitsgruppe Radpolitik

Wir wollen die 

 

Chance nutzen, dass jetzt die Stimmung so gut ist.

Joachim Weiß

 

ADFC-Arbeitsgruppe Radpolitik

Die beiden Karlsruher haben trotz des Altersunterschieds von 17 Jahren viel gemeinsam. Beide besitzen kein eigenes Auto. „Das bedeutet aber nicht Leben ohne Auto, das verwechseln viele“, sagt Lensch. Bei Bedarf sind beide motorisiert mobil als Mitglieder des Carsharing-Anbieters Stadtmobil. Joachim Weiß fährt unter normalen Umständen beruflich extrem viel Bahn. Johannes Lensch hat professionell zu tun mit jeder Art von Verkehr, seien es Busse im hessischen Marburg oder Fußwege in Konstanz am Bodensee.

Ehrenamtlich leiten beide gemeinsam die älteste und größte Arbeitsgruppe des ADFC-Regionalverbands Karlsruhe. Das große Ziel: bessere Bedingungen für Radfahrer in Karlsruhe und dem Umland. „Wir wollen die Chance nutzen, dass jetzt die Stimmung so gut ist“, sagt Weiß. Zum Beispiel knöpft sich die fahrradpolitisch engagierte Gruppe daher die Karlsruher Einzelergebnisse im jüngsten ADFC-Fahrradklimatest vor: „Da muss man genau hinsehen.“

Die Arbeitsgruppe Radpolitik im ADFC Karlsruhe ist aktiv wie nie, auch bei der Planung der Radschnellwege Richtung Ettlingen und Rastatt. Rund zwei Dutzend Aktive nutzen inzwischen ihre bürgerschaftlichen Mitwirkungsrechte intensiv, Tendenz weiter steigend. In Karlsruhe wird die Gruppe regelmäßig beim Regierungspräsidium, der Stadtverwaltung und der Schienenbaugesellschaft Kasig angehört und in Überlegungen einbezogen.

Jetzt setzt sich die Gruppe neue Schwerpunkte. „Wir würden gern eine generelle Verbesserung des Karlsruher Radverkehrsnetzes erreichen und uns nicht nur aufreiben mit Details“, erklärt Weiß. „Wir haben zu viel Verkehr in der Stadt und zu wenig Parkplätze, zu schlechte Luft und zu viel Lärm. Uns fehlt bei den Verantwortlichen oft der Gedanke: Was biete ich den Radfahrern denn an?“

Dass sich die Klimakrise zuspitzt und dass weiter auch in Karlsruhe tödliche Fahrradunfälle passieren, „das wird in Kauf genommen“, kritisiert Weiß und mahnt: „Uns läuft die Zeit weg.“ Die ADFC-Gruppe unterstützt die „Vision Zero“ des Verkehrsclubs Deutschland (VCD), der eine Null in der Statistik der Verkehrstoten mit Fahrrädern fordert. Enge Zusammenarbeit mit ähnlichen Zielen gibt es auch mit der Fridays-for-Future-Bewegung sowie dem Verein Fossil Free Karlsruhe gegen die weitere Nutzung fossiler Brennstoffe.

Trotz des Limits, das Ehrenamt nicht überzustrapazieren, haben Lensch und Weiß einen hohen Anspruch. „Wir suchen eine neue Struktur, sodass jeder zufrieden ist und sich keiner langweilt“, erklärt Lensch. Verschiedene Ansichten innerhalb der Arbeitsgruppe gehören dazu, aber das Leiter-Team will das große Ganze stärker in den Mittelpunkt rücken. „Es ist einfacher, über kleinere Themen zu diskutieren. Bei großen Konzepten wissen viele nicht, was davon zu halten ist, und prompt ist so ein Punkt zu schnell abgehakt“, beschreibt Weiß seine Erfahrung nicht nur aus der ADFC-Arbeitsgruppe.

Ein festes Team kümmert sich bereits gezielt um das Radnetz in der Großstadt. Weiß betont: „Wir brauchen Radrouten als Ganzes und nicht 100 Meter, die toll sind, und dann wieder die alten Hürden.“ Ein negatives Beispiel sei die Karlstraße: „Nur ein weißer Strich auf der Fahrbahn, der Radstreifen nicht baulich abgegrenzt, dann endet der Streifen einfach, das ist zu viel Stückwerk.“ Aus Sicht der Arbeitsgruppe positiv sind die Hirschstraße mit Ausnahme des nördlichsten Abschnittes und bald die Kriegsstraße.

Durchgehend, gerade, sicher und auf kürzestem Weg – so müsse Radverkehr rollen, fasst Lensch zusammen. „Wir haben über die Kriegsstraße heiß diskutiert und das Verfahren intensiv begleitet“, erzählt er. Ein Hindernis im internationalen Vergleich sei das deutsche Planungsrecht: „Da dauert es Jahre vom Bebauungsplan bis zum Pinselstrich auf der Straße. Oft entspricht das Ergebnis am Ende nicht dem tatsächlichen Bedarf.“

Inzwischen seien zum Beispiel viel mehr und auch schnellere Fahrräder oder breite Lastenräder unterwegs. Bei dem stolzen Anteil des Radverkehrs in Karlsruhe seien drei Meter Spurbreite nötig, sagt Lensch. Weiß ergänzt: „Dass auch immer mehr Pedelec-Fahrer die bestehenden Radwege nutzen, bedeutet: Wir brauchen mehr und moderne Wege.“ Rauf auf den Gehweg und wieder runter, Umwege, Einmündungen, Wartezeiten und Geruckel – „das fühlt sich an wie Verkehrsteilnehmer zweiter Klasse, und das in einer Stadt, die fahrradfreundlich sein will.“

Mit Fußgängern sehen sich die politisch engagierten Radfahrer im selben Boot. „Beide werden an den Rand geschoben“, sagt Weiß. Lensch ergänzt: „Fußgänger und Radfahrer bewegen sich aus eigener Kraft fort und nicht nur mit dem Gaspedal.“ Wichtig ist beiden auch eine Kernforderung, die in den ADFC-Statuten verankert ist: Wenn mehr Radwege und Abstellflächen für Fahrräder geschaffen werden, dann nie zulasten der Fußgänger. In Karlsruhe geschehe allerdings genau das, auch direkt im Umfeld der ADFC-Geschäftsstelle in der Welfenstraße.

Service

Wer sich in der Arbeitsgruppe engagieren oder Anregungen geben möchte, kann per E-Mail an karlsruhe@adfc.de Kontakt aufnehmen.

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